Der Gegenstand Katja Hammerles Werk ist der subjektive Raum, ihr subjektiver Raum, welchen sie in einer Serie von Interventionen durchmisst und exploriert, beobachtet von ihrem Auge, der Kamera.
Formal gekennzeichnet sind ihre Bilder durch eine fast monochrome Farbpalette, welche nur durch Haut- und Rottöne – Fleisch und Blut – sowie ein milchiges Grün hier und da durchbrochen wird. Die Kompositionen sind reduziert auf einen fast strengen Minimalismus von wenigen einzelnen Elementen, welche sorgfältig plaziert erscheinen. Die Bilder von Hochspannungsleitungen in Live oder die Strukturen in Drinnen sind verzerrt, als ob flüssig oder sich auflösend. Als Gesamteffekt bleiben Raum und gegenständliche Welt irreal und subjektiv, ungegenständlich und unverhandelbar. Diese Räume haben keinen Ort, bleiben Fiktion und Projektionsfläche. Wo die gegenständliche Welt klar in Erscheinung tritt – in Form von leuchtenden oder im Wasser schwimmenden Glühbirnen, einem Luftballon, dem Wasser selber, dem blutroten Schriftzug Maria an einem Gebäude, oder von einer Wand und einer Treppe, Boden und Tür – so steht sie eher als assoziatives Zeichen, denn als Gegenstand da, bleibt also auch hier im Subjektiven verankert.
Die körperlichen Interventionen der Künstlerin in ihren Bildern erscheinen als investigative Performance von Gesten und Körperhaltungen, immer dem eigenen Blick ausgesetzt. Wie mag es sich anfühlen, als Sisyphos eine sinnlose, nicht enden wollende Arbeit zu verrichten, oder als gestürzter Icarus auf dem Boden liegend, nur noch mit einem Flügel hilflos zu schlagen? Wie ist es, in die Rolle der aus Liebeskummer verdarbenden Nymphe Echo zu schlüpfen, oder die eines seinem Spiegelbild erlegenen Narziss? Ob die Künstlerin dabei selber in die Rolle der Figur schlüpft oder, wie im Falle des Narziss, ein männliches Model, ist dabei unerheblich; es ist ihre Untersuchung, ihr Experiment, ihr Blick. Nicht selten erscheint die körperliche Erfahrung unangenehm, fast bis an die Grenze zur Selbstverletzung reichend, zum Beispiel, wenn die Künstlerin ihren Finger in eine Kerzenflamme hält, diesen scheinbar neugierig kühl beobachtend. Wie fühlt sich das an? Was wird passieren? Oder wenn eine über den Kopf gezogene Plastiktüte ihre Sicht und möglicherweise ihre Atmung einschränkt, wenn sie in der Rolle der Echo in die Enge eines geöffneten Kühlschranks gezwängt sitzt. In diesen Szenen tritt der klaustrophobe Charakter ihrer Bilder besonders deutlich zu Tage; vorhanden ist er in allen. So offenbart sich in den visuell zart und manchmal ätherisch anmutenden Bildern mehrfach eine erstaunlich viszerale Gewalt, etwa wenn sich rote Flüssigkeit aus dem Mund der Künstlerin ergießt wie ein Blutschwall, oder ein vor den Unterleib gehaltener Granatapfel einer aufgerissenen Wunde gleicht. Was bedeutete es, derartige Verletzungen zu tragen? Ein wenig erinnern diese körperlichen Zumutungen an frühe Performances von Marina Abramovich, welche ebenfalls ihren Körper Stresssituationen- bzw. positionen aussetzte und so seine sowie ihre eigenen Grenzen erkundet, aber in ihren Interventionen war der Kontakt zum Publikum instrumental; es war direkt involviert.
Alle Charaktere in Katja Hammerles Arbeiten dagegen bleiben in ihrem subjektiven Erleben eingeschlossen; es gibt kein Miteinander, keinen Kontakt zum Betrachter, der nur dem unbeteiligt erscheinenden, untersuchenden Blick der Künstlerin folgen kann, aber ihren subjektiven Raum immer nur von außen betrachtet. Die emotionale Ausdruckslosigkeit gibt ihm wenig Gelegenheit, mit der Person in Kontakt zu treten. Auch das macht den beklemmenden Charakter der Arbeiten aus. Bleibe ich in meiner Subjektivität immer allein? Der Narziss ist auch im gewissen Sinne das Alter Ego der Künstlerin, dazu verdammt, immer sich selber zu betrachten, fasziniert von sich und seinem Bild; kann es überhaupt ein Begehren nach dem Anderen geben oder wäre es von vornherein aussichtslos, wie das Begehren der Echo? Diese Bilder weisen keinen Ausweg.
Der investigative Blick auf das Selbst ist uns bekannt von verschiedenen fotografischen Künstlerinnen. Vielleicht besteht die größte Nähe zu den Arbeiten Francesca Woodmans, welche ebenfalls in ihrer eigenen, überwiegend selbstreferentiellen Welt und Körperlichkeit verortet bleibt. Cindy Sherman, mit welcher Katja Hammerle die Selbstinszenierung teilt, und andere Künstlerinnen ihrer Generation plazierten ihre Arbeiten dagegen fest in einem soziokulturellen Kontext, in dessen Mittelpunkt oft die Begegnung und die Auseinandersetzung mit dem Begriff von Geschlecht und dessen Bildern standen. Diesen galt es zunächst zu dekonstruieren und sich so auch vom männlichen Blick zu emanzipieren. Die Darstellung des weiblichen Körpers fand so immer im impliziten Bezug zum Geschlechtskonstrukt statt, vis a vis dem Anderen, dem Männlichen. Eine Generation von Künstlerinnen, und nicht die erste, eroberte sich so ihren eigenen Blick. Andere, wie Woodman und Hannah Villiger, nahmen dagegen wenig oder keinen Bezug auf Geschlecht und dessen kulturelle Codes. Villiger im Besonderen beschränkte die Selbsterkundung und -dokumentation ihres Körpers auf das Gegenständliche, abseits aller Geschlechtsnormen und deren Ansprüchen an die Funktionen und Modi des weiblichen Körpers. Hier gibt es einen gewissen Berührungspunkt mit den Arbeiten Katja Hammerles, welche insofern streng feministisch sind, indem sie als Frau die absolute Hoheit über ihren Körper und den auf ihn gerichteten Blick behält. Sie ist ihrem subjektiven Erleben und dessen Bildern verhaftet; sie lässt sich beides nicht entreißen. Die scheinbare Verletzlichkeit ihres Körpers, dessen Exponiertheit dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass die Künstlerin uneingeschränkte Kontrolle ausübt. Sie bewegt sich auf ihrem Territorium, welches sie beherrscht. Darin zeigt sich aber auch das Dilemma; während sie in dieser absoluten Autonomie frei ist, bleibt sie in ihr auch allein.
(2015 Jan Großer)
2 comments
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